Erfahrungsbericht
Kalligrafie, Mozart und zwei Hirnschläge
Mit viel Leidenschaft, Eigeninitiative und Unterstützung einer SRK-Ergotherapeutin erlangt Otto Frank Seger nach zwei Hirnschlägen wieder ein hohes Niveau in der Kunst des schönen Schreibens.
 
  Kennen Sie den Mozart-Effekt? In einer Studie von 1993 behaupteten Wissenschaftler, dass die Musik Wolfgang Amadeus Mozarts einen positiven Effekt auf die vorübergehende Leistungssteigerung der Zuhörerinnen und Zuhörer haben kann. 
Diese Idee macht sich Otto Frank Seger zu nutze. Der 87-Jährige widmet sich seit vielen Jahren der Kalligrafie. Nie versucht er sich in der Kunst des Schönschreibens, ohne dabei Mozart oder Beethoven zu lauschen. Seine Werke wie Urkunden, Diplome, Karten, Bilder lassen sich sehen. Viele davon hat er auf Bestellung angefertigt.
Mit 86 Jahren, nach einem Nickerchen, ändert sich sein Leben schlagartig. Otto Frank Seger spürt seine rechte Hand nicht mehr. Die Hand, die ihn über viele Jahre hinweg in präzisester Form alle Farben dieser Welt aufs Papier ziehen liess. Diagnose: Hirnschlag. Knapp neun Tage später folgte der zweite Hirnschlag. Nach Spitalaufenthalt und Reha beginnt Otto Frank Seger seine Behandlung in der SRK-Ergotherapie. Priorität Nummer eins: seiner Frau zum 80. Geburtstag eine besondere Karte zu kreieren.
Um Patientinnen und Patienten bestmöglich in ihre Selbstständigkeit zurückzuführen, ist eine klientenzentrierte Therapieausrichtung wichtig. Die Ergotherapie berücksichtigt idealerweise die Vorgeschichte der zu behandelnden Person. «Seine Kreativität und sein Körpergefühl haben ihm wortwörtlich in die Hände gespielt», meint Dana Ferigutti, Otto Frank Segers Ergotherapeutin. Nebst einem guten Köpergefühl sind zwei weitere Faktoren für den Heilungsprozess massgebend: das Verständnis um die Notwendigkeit von Übung, Training und Wiederholung, sowie die Einbindung von Leidenschaft in die Therapie – das erleichtert das Training.
Weitermachen, üben, aufstehen oder wie Otto Frank Seger sagt «muesch scho chli Gas gä». Wenn etwas nicht funktioniert, ist der Geist nicht genug konzentriert. Diese Denkweise transferiert Otto Frank Seger von seiner Kalligrafie-Arbeit in seine Ergotherapie-Sitzungen. Bereitet ihm das Ziehen einer geraden Linie Mühe, erinnert er sich an sein altes Mantra: «Beseelen. Vom Kopf in die Mitte und dann in die Hände fliessen lassen.».
Neun Mal besucht Otto Frank Seger die SRK-Ergotherapie. Neun Therapie-Sitzungen mit Hauptfokus Sensibilität und Kraft und dem Ziel wieder auf hohem Niveau kalligrafieren zu können. Sitzt Otto Frank Seger heute in seinem Atelier, hört er seine ehemalige Mentorin, die bekannten Kalligrafie-Künstlerin Heidi Trachsel-Kurt, immer wieder mahnen: «Asetze, abefahre und lagah. Nie stosse, immer zieh.» – im Hintergrund spielt Mozart seine Sinfonie g-Moll KV550.
Ergotherapie: gemeinsam fördern wir Ihre Selbstständigkeit
Ergotherapie ist eine medizinisch-therapeutische Behandlung. Ziel der Ergotherapie ist es, nach einem Unfall, wegen einer Krankheit oder einer Entwicklungsstörung Fertigkeiten zurückzugewinnen, zu erhalten oder zu kompensieren und so eine maximale Handlungsfähigkeit im Alltag zu erreichen.
 
   
    